Überlebende von Menschenhandel kämpfen häufig mit schweren Traumata, die oft schon vor der Ausbeutung ihren Ursprung haben. Frisch verheiratet engagieren sich SMG Mitarbeiterehepaar Damian und Sabine Jutzi für traumatisierte Frauen bei «Not I But We» – ein Sozialunternehmen in Kapstadt, Südafrika.
Unsere Mission ist es, Überlebenden von Menschenhandel einen sicheren Ort zu bieten, wo sie ihre Geschichte neu schreiben können. Zahlreiche Hürden erschweren es den Frauen, wieder Fuss zu fassen und ihr Leben aktiv und selbst bestimmt zu gestalten. Ohne gesichertes Einkommen sind sie darüber hinaus dem Risiko ausgesetzt, wieder ausgebeutet zu werden. Die Arbeitslosenquote in Südafrika beträgt über 32%, was die Herausforderung zusätzlich verstärkt. Hier setzen wir bei «Not I But We» an.
Integration durch Nähunterricht
Der Einstieg in das Projekt erfolgt über unser 8-wöchiges Nähtraining, in dem die Frauen die Grundlagen des Nähens erlernen. Entscheiden sich die Frauen anschliessend, in Kapstadt zu bleiben, bieten wir ihnen einen inklusiven und traumainformierten Arbeitsort. Dies bedeutet ein Arbeitsumfeld, welches sich der Auswirkungen von Traumata auf die Mitarbeitenden bewusst ist und darauf abzielt, eine unterstützende, sichere und respektvolle Atmosphäre zu schaffen. Ebenfalls können sie bei uns ab diesem Jahr ein Einstiegstraining ins Unternehmertum besuchen, falls sie sich selbstständig machen wollen.
Veränderung und Wachstum
Seit 2022 produzieren wir Scrunchies, Haargummis, welche mit einem Stoffüberzug versehen sind. Mittlerweile sind wir eine unabhängige Organisation und unser Angebot ist gewachsen: Von Achtsamkeits-Armbändern, über Patchwork-Taschen bis hin zu einer eigenen Kleiderkollektion. Nicht nur unsere Produkte haben sich verändert, sondern auch viele Frauen sind gekommen, einige sind geblieben, andere sind weitergezogen. Es ist wunderschön zu sehen und zu erleben, wie die Frauen stolz sind: Dass sie beispielsweise zum ersten Mal in ihrem Leben einen Job haben, neue Produkte herstellen und in der Produktentwicklung mitwirken.
Eine der Frauen hat schon immer davon geträumt, Kleider zu entwerfen und nun darf sie ihre Ideen in unseren Kleider-Kollektionen verwirklichen. Uns ist es wichtig, dass unsere Unterstützung nicht mit der Anstellung endet. Wir laden die Frauen ein, in Leitungsfunktionen hineinzuwachsen. So leitet unsere langjährige Mitarbeiterin mittlerweile die Produktion.
Ganzheitliche Angebote
Wir bieten mehr als einen Arbeitsplatz. In wöchentlichen «Care Circles» schaffen wir einen Ort, wo Gefühle in einem sicheren Rahmen geäussert werden und wir uns als gesamtes Team besser kennenlernen dürfen. Ein Raum in unserem Atelier ist ganz der Co- und Selbstregulation gewidmet. Wer Zeit für sich braucht, weil eine Situation gerade viel Emotionen hervorbringt, beten möchte, oder ein Gespräch wünscht, darf sich jederzeit in unser «Compassion-Zimmer» zurückziehen.
Wie wir helfen
Umgang mit Traumata ist in unserer Arbeit ein grosses Thema. Zwar bieten wir keine Therapie an, aber unser Ziel ist es, alle bei «Not I But We» in der Selbstwirksamkeit zu stärken. So ermutigen wir zu verschiedenen Übungen, wie wir mit unserem Nervensystem arbeiten können, damit wir je länger, je geerdeter und umso mehr heil werden dürfen. Denn was für Aussenstehende vielleicht harmlos scheint, kann bei ehemaligen Opfern von Menschenhandel schwierige Emotionen auslösen. Mit unseren Fragen in herausfordernden Situationen versuchen wir, das Gegenüber in ihrem Kontext und ihrer Geschichte zu verstehen und für sie da zu sein.
Selbstfürsorge ist wichtig
Das ist alles gut und recht, aber der beste Arbeitsort nützt nichts, wenn wir Mitarbeitenden selbst nicht anwenden, was wir vermitteln möchten. Die Arbeit an uns, an unserem Nervensystem und an unserem Innenleben ist dabei entscheidend. Auch wir lernen stetig Neues dazu, wie wir nicht nur für die Frauen, sondern auch zu uns schauen können, sei dies durch Therapie, Beten, Achtsamkeit oder aktive Erholung.
Ein hoffnungsvoller Blick in die Zukunft
Wir sind sehr dankbar, durften wir Anfangs Januar neue, grössere Räumlichkeiten einweihen. Dies ermöglicht uns, weitere Arbeitsplätze zu schaffen. Wir sind sehr gespannt auf dieses neue Kapitel von «Not I But We».
Ja, der Kampf gegen den Menschenhandel in Südafrika ist noch lange nicht gewonnen. Aber jede Frau mit einer Geschichte von Heilung ist ein Zeichen der Hoffnung für uns.
Sabine und Damian Jutzi, Not I But We
Sabine ist seit 2023 bei der SMG und spielt zurzeit eine zentrale Rolle in der Organisation des tagtäglichen Betriebes von Not I But We. Damian trägt zur strategischen Entscheidungsfindung und zur Förderung der sozialen Wirkung bei. Seit Mai 2024 sind Sabine und Damian verheiratet und teilen ihr Herz für die Überlebenden von Menschenhandel.